Im Rahmen des Aktionsplans: Finanzierung nachhaltigen Wachstums der Europäischen Kommission vom März 2018 (der „Aktionsplan“) soll mit der Verordnung (EU) Nr. 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) eine höhere Transparenz hinsichtlich der Nachhaltigkeit von Finanzprodukten erreicht werden, um private Anlagen in nachhaltige Investitionen zu lenken. Die schrittweise Einführung hat am 10. März 2021 begonnen. Das gleiche Ziel soll mithilfe einer Reihe von Anforderungen der EU-Taxonomie erreicht werden: Bei derartigen Finanzprodukten muss offengelegt werden, inwiefern sie in ökologisch nachhaltige Geschäftstätigkeiten investieren.
Infos zur SFDR-Verordnung
Mit der SFDR-Verordnung werden Transparenzanforderungen an Merkmale von Finanzprodukten definiert und eingeführt, die zur Beurteilung des Nachhaltigkeitsgrads herangezogen und verglichen werden können:
- Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken wie z. B. des Verlustrisikos bei Basiswerten aufgrund von Ereignissen in den Bereichen Umwelt und Gesellschaft;
- Nachhaltige Investitionen in Geschäftsaktivitäten, die zu ökologischen oder sozialen Zielen beitragen. Hierzu zählen Investitionen in Geschäftstätigkeiten entsprechend der EU-Taxonomie;
- Berücksichtigung der wichtigsten nachteiligen Auswirkungen (Principal Adverse Impacts, PAI) auf Nachhaltigkeitsfaktoren, d. h. von nachteiligen Auswirkungen auf Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange sowie die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung aufgrund einer Investitionsentscheidung.
Anwendungsbereich
Die Verordnung gilt seit dem 10. März 2021 für die nachstehenden Finanzprodukte sowie für die entsprechenden Produktanbieter und Finanzberater mit Sitz in der EU:
- Von Kreditinstituten oder Wertpapierfirmen verwaltete Portfolios
- Alternative Investmentfonds (AIF) und OGAW
- Versicherungsanlageprodukte (Insurance-based Investment Products, IBIP)
- Altersvorsorgeprodukte, Produkte der betrieblichen Altersversorgung, die Gegenstand der Richtlinie über Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (IORP) sind sowie Paneuropäische Private Pensionsprodukte (PEPP)
Für Offenlegungspflichten, die durch technische Regulierungsstandards (RTS) ergänzt und genauer spezifiziert werden müssen (wie etwa eine Erklärung zur Berücksichtigung von PAI-Indikatoren seitens großer Produktanbieter, vorvertragliche und regelmäßige Informationen zu Finanzprodukten, die „ESG-Merkmale bewerben“ oder „in nachhaltige Investitionen anlegen“) gelten die prinzipienbasierten Anforderungen nur vom 10. März 2021 bis zu dem in diesen RTS genannten Datum des Inkrafttretens.
Seit dem 10. März 2021 muss für alle infrage kommenden Finanzprodukte in vorvertraglichen Dokumenten offengelegt werden, wie Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigt werden sowie die zu erwartenden Auswirkungen auf die Rendite des Produkts. Anbieter und Finanzberater müssen Informationen zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken in die Investitionsentscheidung sowie darüber offenlegen, inwiefern die Vergütungspolitik mit der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken im Einklang steht.
Für Finanzprodukte, die „ESG-Merkmale bewerben“ oder „in nachhaltige Investitionen anlegen“, muss in vorvertraglichen Dokumenten detailliert über diese Merkmale bzw. Investitionsziele und entsprechende Nachhaltigkeitsindikatoren informiert und in regelmäßigen Berichten mitgeteilt werden, wie diese erreicht wurden.
Finanzmarktteilnehmer müssen seit dem 10. März 2021 nach dem Grundsatz „Comply or explain“ offenlegen, wie die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen (PAI) von Investitionsentscheidungen auf ökologische und soziale Belange berücksichtigt werden. Bei Unternehmen, auf welche die Richtlinie zur Angabe nichtfinanzieller Informationen[1] (NFRD) anwendbar ist, müssen PAI auf Unternehmensebene ab dem 30. Juni 2021 in einer speziellen Erklärung – ab dem 30. Juni 2023 einschließlich der PAI-Indikatoren – sowie ab dem 30. Dezember 2022 in regelmäßigen Berichten zu von ihnen verwalteten Finanzprodukten offengelegt werden.
Auswirkungen auf die Branche
Finanzprodukte, die keinen Anspruch auf Nachhaltigkeit erheben, werden sich eventuell schwerer vermarkten lassen, da in ihren vorvertraglichen Dokumenten eindeutig offengelegt werden muss, dass keine Nachhaltigkeitsrisiken, PAI auf Nachhaltigkeitsfaktoren oder EU-Taxonomiekriterien berücksichtigt werden. Zudem werden derartige Produkte im Rahmen der MiFID-II-Änderungen, die im ersten Quartal 2021 verabschiedet werden, jenen Kunden nicht mehr empfohlen, die ESG-Präferenzen geäußert haben.
Am 2. Februar 2021 haben die Europäischen Aufsichtsbehörden einen Entwurf zu den technischen Regulierungsstandards veröffentlicht, der die zur Erfüllung der Transparenzanforderungen notwendigen ESG-Daten genauer spezifiziert. Diese RTS müssen noch von der EU-Kommission übernommen werden und eine dreimonatige Frist zur Prüfung durch EU-Parlament und Rat durchlaufen. Der RTS-Entwurf spezifiziert:
- Den Inhalt der PAI-Erklärung, die auf Unternehmensebene zu verfassen ist, wobei die verpflichtenden PAI-Indikatoren erst ab dem 30. Juni 2023 für einen Referenzzeitraum, der dem Kalenderjahr 2022 entspricht, veröffentlicht werden müssen.
- Die Einzelheiten vorvertraglicher und regelmäßiger Offenlegungen für Finanzprodukte, die ökologische und soziale Merkmale bewerben, bzw. für Produkte mit nachhaltigen Investitionszielen, die ab dem 1. Januar 2022 veröffentlicht werden müssen. Damit sich die Finanzmarktteilnehmer darauf einstellen und die für das regelmäßige Reporting erforderlichen Informationen zusammentragen können, haben die Europäischen Aufsichtsbehörden jedoch die Empfehlung ausgesprochen, dass RTS-Anforderungen an regelmäßige Berichte erst für Referenzzeiträume ab dem 1. Januar 2022 gelten sollen, falls die RTS nicht vor Ende Juni 2021 verabschiedet werden.
Einschätzung von BNP Paribas Securities Services
Der Haupteinwand der Produktanbieter betrifft die Tatsache, dass sie auf ESG-Daten zugreifen müssen, die von Beteiligungsunternehmen nicht öffentlich zugänglich gemacht werden, weshalb die Beschaffung aufwändig und die Daten möglicherweise nicht zuverlässig sind. Dieses Problem könnte durch einen Vorschlag der EU-Kommission zur Überprüfung der NFRD wenigstens teilweise ausgeräumt werden, der Ende April 2021 angepasst wurde und frühestens im Januar 2023 umgesetzt wird, sowie durch die Verabschiedung eines Legislativvorschlags im dritten Quartal 2021 zur Einrichtung eines einheitlichen europäischen Zugangspunkts, der EU-weiten Zugriff auf alle relevanten Informationen (auch zum Thema Nachhaltigkeit) eröffnet, die von Unternehmen öffentlich zugänglich gemacht werden, wie es von der EU in ihrem neuen Aktionsplan für die Kapitalmarktunion vorgeschlagen wird.
Hierbei gilt, dass alle Informationen in vergleichbaren digitalen Formaten bereitgestellt werden sollen.
Wichtige Termine
29. Dezember 2019 – Inkrafttreten
2. Februar 2021 – Finalisierung der RTS für PAI-Indikatoren durch die Europäischen Aufsichtsbehörden, die von Produktanbietern mit mehr als 500 Mitarbeitern offenzulegen sind, sowie vorvertragliche und regelmäßige Informationen, die über Finanzprodukte offenzulegen sind, die ESG-Merkmale bewerben oder in nachhaltige Investitionen anlegen
10. März 2021 – Erstes Datum des Inkrafttretens für die Offenlegungspflichten auf Unternehmensebene sowie in vorvertraglichen Dokumenten auf Produktebene gemäß den prinzipienbasierten Anforderungen der Verordnung
30. Juni 2021 – Offenlegung ihrer Grundsätze zur Berücksichtigung von PAI auf Nachhaltigkeitsfaktoren durch Produkthersteller (mit mehr als 500 Mitarbeitern)
1. Januar 2022 – Für Finanzprodukte mit ESG-Merkmalen oder dem Ziel einer nachhaltigen Investition: erstes Datum des Inkrafttretens der Offenlegungspflichten in regelmäßigen Berichten mindestens gemäß den prinzipienbasierten Anforderungen der Verordnung sowie entsprechend der RTS-Vorgaben
1. Januar 2023 – Offenlegung der Berücksichtigung nachteiliger Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit für Finanzprodukte großer Produktanbieter
30. Juni 2023 – Offenlegung von PAI-Indikatoren durch große Produktanbieter
[1] 2014 hat die EU die Richtlinie 2014/95/EU (die Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung oder NFRD) vereinbart, eine Änderung der Richtlinie 2013/34/EU (die Rechnungslegungsrichtlinie). Die NFRD verlangt von bestimmten Unternehmen, jährlich Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, Menschenrechten sowie Bestechung und Korruption zu melden. Die NFRD gilt für große börsennotierte Unternehmen, Banken und Versicherungen mit mehr als 500 Mitarbeitern. Unternehmen im Geltungsbereich der NFRD mussten diese Meldepflichten erstmals im Jahr 2018 erfüllen, um Informationen für das Geschäftsjahr 2017 zu erhalten.