Draghi-Bericht: Das Wichtigste im Überblick

Der Draghi-Bericht stellt strategische Maßnahmen zur Stärkung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in der EU vor.

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Die Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der EU: die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Draghi-Bericht

Der Bericht zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der EU – auch als Draghi-Bericht bezeichnet – stellt strategische Maßnahmen zur Stärkung des Wachstums in der Europäischen Union (EU) vor. Der Bericht rückt vier Zielsetzungen in den Mittelpunkt:

  • Innovationslücken schließen, insbesondere bei den Zukunftstechnologien
  • Verfolgen einer neuen Industriestrategie durch die Kombination von Steuer-, Handels- und Außenpolitik und eine Reform des Wettbewerbsrechts zwecks Erleichterung von Zusammenschlüssen europäischer Unternehmen
  • Finanzierung von Investitionen, insbesondere durch eine geringere Fragmentierung der Kapitalmärkte, Vollendung der Bankenunion und Wiederaufnahme von Verbriefungen
  • Reform der Entscheidungsfindung durch Bürokratieabbau und die vereinfachte Umsetzung von Entscheidungen

Kontext des Draghi-Berichts

Die Europäische Kommission (EK) hat Mario Draghi im Jahr 2023 damit beauftragt, über die Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der EU zu berichten. Mario Draghi war Präsident der Europäischen Zentralbank, Ministerpräsident von Italien, Vorsitzender des Finanzstabilitätsrats (Financial Stability Board – FSB) und Gouverneur der italienischen Zentralbank. Veröffentlicht wurde sein Bericht im September 2024.

Die Europäische Kommission (EK) forderte auch einen Bericht zur Zukunft des EU-Binnenmarktes  an, verfasst von Enrico Letta, der im April 2024 veröffentlicht wurde. Der Bericht mit dem Titel „Much more than a market“ mahnt die Modernisierung des Binnenmarktes an, um eine nachhaltige Zukunft und Wohlstand für alle EU-Bürger zu gewährleisten.

Der Noyer-Bericht (vom ehemaligen Gouverneur der Banque de France verfasst) wurde im April 2024 veröffentlicht. Hier bestand die Zielsetzung darin, konkrete Vorschläge zur Wiederbelebung der Kapitalmarktunion (KMU) durch den Fokus auf finanzielle Stabilität und die stärkere Integration der Finanzmärkte zu machen.

Der Draghi-Bericht ist eine Fortsetzung der genannten Berichte, stellt aber weitergehende Überlegungen zur Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz der EU an.

Er hebt hervor, dass die Produktivität in der EU weiter hinter die der USA zurückfällt und sich langsamer verbessert als in vielen asiatischen Märkten, vor allem China. Darüber hinaus wird die digitale, soziale und nachhaltige Transformation der EU-Volkswirtschaft Investitionen in Höhe von jährlich etwa 800 Milliarden Euro erfordern, die nach Meinung von Draghi durch die Emission von EU-Anleihen finanziert werden sollten. Der etwa 400-seitige Bericht enthält 170 Empfehlungen, die die zweite Kommission von Ursula von der Leyen in einen ehrgeizigen Entwicklungsplan einfließen lassen will.

Draghi-Bericht: Hauptempfehlungen zur Kapitalmarktunion

Die Hauptempfehlungen zur Stärkung der Kapitalmarktunion und des Finanzdienstleistungsbereichs in der EU sowie zur Lenkung der Ersparnisse der privaten Haushalte in produktive Investitionen lauten:

  • Verringerung der Fragmentierung der Kapitalmärkte
    • Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities Market Authority (ESMA)) soll den Wandel von der bloßen Koordinierung nationaler Aufsichtsbehörden zu einer einzigen gemeinsamen Aufsichtsbehörde für alle EU-Wertpapiermärkte vollziehen. Zu diesem Zweck soll der ESMA die ausschließliche Aufsicht über große multinationale Emittenten, bedeutende regulierte Handelsplattformen und zentrale Gegenparteien (Central Counterparties (CCP)) übertragen werden.
    • Harmonisierung der Insolvenzregeln und Beseitigung von Steuerhindernissen bei grenzübergreifenden Investitionen
    • Förderung der Zentralisierung von Clearing und Abwicklung durch die Schaffung eines einzigen CCP und eines einzigen Zentralverwahrers (Central Securities Depository (CSD)) für alle Märkte
  • Stärkung der Finanzierungskraft des Bankensektors durch Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes
    • Schaffung einer Verbriefungsplattform zur Vertiefung des Marktes, vor allem wenn die Verbriefungen durch öffentliche Garantien der Erstverlust-Tranchen abgesichert werden
    • Überprüfung der Transparenz- und Sorgfaltspflichten
    • Anpassung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen bei verbrieften Vermögenswerten (z. B. Reduzierung der Kapitalerfordernisse für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen)
  • Vollendung der Bankenunion
    • Die EU soll den aufsichtsrechtlichen Rahmen kritisch prüfen (bezüglich der Notwendigkeit weiterer Änderungen der Solvency-II-Kapitalanforderungen oder der Angemessenheit der derzeitigen Aufsichtsvorschriften in Anbetracht der möglicherweise bevorstehenden Umsetzung von Basel III)
    • Etablierung einer separaten Gesetzgebung für EU-Banken mit umfangreichen grenzübergreifenden Geschäftsaktivitäten, die in Bezug auf Regularien, Aufsicht und Krisenmanagement für alle Länder einheitlich wäre
  • Stärkung von Governance und Vereinfachung der Vorschriften
    • Die Abstimmungen des EU-Rates sollen häufiger nach dem Prinzip der Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit erfolgen
    • Reduzierung von Vorschriften durch Ernennung eines neuen Kommissions-Vizepräsidenten für Vereinfachung. Der Bericht schlägt auch eine 25%-Reduzierung der Berichtspflichten und die Verpflichtung zu einer weiteren 50%-Reduzierung für kleine und mittelständische Unternehmen, die Wahrung der Verhältnismäßigkeit für KMU im EU-Recht und eine Ausweitung auf kleine Midcap-Unternehmen vor.

Die Präsidentin der neuen Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat die Einrichtung einer Task Force bestätigt, die mehrere Maßnahmen des Berichts in konkrete Vorschläge und mögliche gesetzliche Maßnahmen umwandeln soll. Art, Zusammensetzung und Zielsetzungen der Arbeitsgruppe sind noch festzulegen, aber das erklärte Ziel der neuen EK und der Mitgesetzgeber der EU müsste darin bestehen, schnelle und konsequente Schritte zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der EU zu ergreifen.